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4-Tage-Woche: Markus Raffin hat es versucht und zieht Bilanz

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4-Tage-Woche: Markus Raffin hat es versucht und zieht Bilanz

Das Unternehmen Raffin GmbH aus Bruneck, Experte im Bereich House Technology Heizung - Sanitär und Elektro, hat bereits vor einigen Jahren Schlagzeilen gemacht – es hat als eines der ersten Südtiroler Handwerksbetriebe im Jahr 2018 den Schritt in die 4-Tage-Woche gewagt. Gründer und Geschäftsführer Markus Raffin, zieht nach 6 Jahren Bilanz und bietet einen ehrlichen Blick hinter die Kulissen. Dabei beantwortet er auch eine Frage, die vielen Außenstehenden auf der Zunge brennt: Hat sich die 4-Tage Woche gelohnt – wirtschaftlich und auch in Bezug auf die Gewinnung von Fachkräften?

Eine „bindende“ Idee

Die Idee, die 4-Tage-Woche im eigenen Handwerksbetrieb einzuführen, sei, so erzählt Markus Raffin, im Grunde aus der Notwendigkeit heraus entstanden, qualifizierte Mitarbeiter/innen auch langfristig an das Unternehmen zu binden.

Auch er sei nämlich, wie viele andere Unternehmen dieser Branche, damit konfrontiert gewesen, dass wertvolle Mitarbeiter/innen von der Konkurrenz „abgeworben“ wurden.

Um Mitarbeiter zu sichern, mussten wir uns als Unternehmen etwas einfallen lassen, was andere Betriebe den Angestellten nicht bieten konnten. Im Gespräch mit meiner Frau, kam dann der Gedanke auf, es doch einmal mit der 4-Tage-Woche als Mitarbeiter-Benefit zu versuchen. Wir haben uns zunächst einmal ganz genau informiert, wie ein solches innovatives Modell arbeits- und steuerrechtlich umzusetzen wäre, haben Kontakt zu den Gewerkschaften aufgenommen und uns überlegt, wie wir unsere Tätigkeit – verteilt auf eine 4-Tage-Woche – konkret organisieren und gestalten können.

Markus Raffin Gründer und Geschäftsführer von Raffin GmbH

Dabei sei es dem Unternehmen aus Bruneck wichtig gewesen, nicht nur attraktiv für seine Mitarbeiter/innen zu bleiben, sondern auch weiterhin hochwertige Dienstleistungen vertrauenswürdig für die Kundschaft zu erbringen, und zwar so, dass Kunden und Kundinnen im Grunde von der verkürzten Arbeitswoche gar nicht erst etwas merkten.

36 Stundenwoche: volles Gehalt, passende Mitarbeiter und akribische Planung

Die 4-Tage Woche sei den Mitarbeiter/innen zunächst probeweise als kleines betriebsinternes Projekt angeboten worden, und zwar bei vollem Gehalt und einer 36-Stundenwoche.

Damit die Aufträge trotz reduzierter Arbeitszeit pünktlich und fachgerecht bewerkstelligt werden konnten, musste dies intern so organisiert werden, dass ein Teil der Mitarbeiter/innen von Dienstag bis Freitag arbeitete und der andere Teil von Montag bis Donnerstag. Die Initiative habe bei den Mitarbeitenden nach anfänglicher Skepsis guten Anklang gefunden, sogar ihre Motivation, Konzentration und Leistungsfähigkeit seien merklich angestiegen. Somit wurde dieses neue Arbeitsmodell nach dem anfänglichen Probelauf beibehalten. Als positiven Nebeneffekt stellte Raffin schon bald fest, dass dieses Work-Life-Balance-Benefit nicht nur die Mitarbeiterbindung stärkte und der Mitarbeiterfluktuation entgegenwirkte, sondern auch jede Menge neue motivierte Mitarbeiter/innen anzog. „Hier galt und gilt es“, so erklärt Markus Raffin, „den Bewerbern und Bewerberinnen auch ordentlich auf den Zahn zu fühlen: Hat sich hier jemand nur mit der Aussicht auf eine kürzere Arbeitswoche beworben, oder ist die Person tatsächlich daran interessiert, mit uns zu arbeiten, sich aktiv und engagiert im Team einzubringen, sich weiterzuentwickeln und verlässlich zu arbeiten? Da muss man als Unternehmen unter Umständen auch dazu bereit sein, qualifizierte Bewerber/innen abzulehnen, falls sie von der Arbeitsmentalität her nicht kompatibel mit diesem Modell und unserer Unternehmensphilosophie sind.” Ein solches Modell setze also auch gegenseitiges Vertrauen und eine positive Beziehung zwischen dem Unternehmen und seinen Mitarbeiter/innen voraus, so Raffin.

Als Chef ermögliche ich es meinen Mitarbeiter/innen, mehr (Frei)Zeit für sich zu haben, für die eigenen Bedürfnisse, die eigene Familie und Träume. Das ist mein Versprechen an sie. Umgekehrt ist es aber auch wichtig, dass ich weiß, es wird so geplant, vorbereitet und zusammengearbeitet, dass keine Zeit verschwendet wird und keine wichtigen/dringenden Arbeiten liegen bleiben. Jeder setzt alles daran, um Projekte zielorientiert umzusetzen – das gelingt nur in einem eingespielten, motivierten Team, das sich gegenseitig unterstützt und einspringt, wenn irgendwo mal Not am Mann ist. Das bedeutet keinesfalls, dass die Mitarbeiter einen 10-Stunden Tag einschieben müssen. Es kann aber in solchen Situationen vorkommen, dass sie ausnahmsweise mal an einem Freitag arbeiten und den freien Tag dann am Montag nachholen – oder umgekehrt.

Markus Raffin Gründer und Geschäftsführer von Raffin GmbH

Auch bei Notfällen sei für die Kundschaft am Wochenende stets jemand rotierend erreichbar. Planung sei das A und O der 4-Tage-Woche. Das alles setze ein positives Arbeitsklima voraus und eine moderne Unternehmenskultur. Außerdem müssen Arbeiten bewältigbar sein.

Als Unternehmer muss ich mir deswegen von vornherein bewusst sein, dass wir in Phasen, in denen wir voll ausgelastet sind, kurzfristig keine größeren Aufträge annehmen können. Das fällt einem nicht immer ganz so leicht. Wir haben aber die Erfahrung gemacht: Hat ein Unternehmen einen guten Ruf, leistet es, was es verspricht – dann nehmen Kunden und Kundinnen es auch gerne in Kauf, Arbeitsaufträge frühzeitig ankündigen zu müssen.

Markus Raffin Gründer und Geschäftsführer von Raffin GmbH

Ein zukunftsfähiges Modell mit Win-win-Faktor

Das Unternehmen Raffin kann zusammenfassend nach 6 Jahren Vier-Tage-Woche in vielerlei Hinsicht positive Bilanz ziehen: Mitarbeiter/innen entschieden sich, dank des attraktiven Arbeitszeit-Modelles, im Unternehmen zu bleiben; neue qualifizierte Arbeitskräfte konnten aufgenommen werden; die von vielen Außenstehenden mit Bedenken geäußerten, wirtschaftlichen Einbußen sind in keiner Weise eingetreten – im Gegenteil, das Unternehmen spare, so fügt der Unternehmer hinzu, dadurch sogar wöchentlich Energie- und Treibstoffkosten. Und was Markus Raffin besonders am Herzen liegt: „Auch Lehrlinge möchten bei uns ins Berufsleben einsteigen.“ Sie, so betont der Unternehmer, seien die Zukunft des Handwerkes:

Nur, wenn der Handwerksberuf gesamtgesellschaftlich Aufwertung erfährt, werden wir auch weiterhin motivierte Lehrlinge finden, die ein Handwerk erlernen möchten. Die 4-Tage-Woche kann also auch dahingehend einen wichtigen Beitrag leisten, dass aus dem oftmals nur als ‚6-Tage-lang-Puggeln‘ wahrgenommenen Beruf, ein moderner Job mit Karrierechancen wird.

Markus Raffin Gründer und Geschäftsführer von Raffin GmbH

 
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